Die Stürmerin

Die Fußballwelt blickt im Juni zur Männer-EM nach Frankreich. L-MAG blickt auf das DFB-Pokalfinale der Frauen, auf die Championsleague der Frauen und auf eine der besten europäischen Fußballerinnen unserer Zeit: wir trafen die Schweizer Stürmerin Ramona Bachmann an ihrer deutschen Spielstätte in Wolfsburg.
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Ramona Bachmann wurde am 25. Dezember 1990 in Malters in der Schweiz geboren. Die Stürmerin ist seit 2007 Schweizer Nationalspielerin und hat in bisher 72 Spielen schon 41 Tore erzielt. Nach acht Jahren in Schweden mit einjährigem Intermezzo in Atlanta (USA) stürmte sie zuletzt mit Anja Mittag und Marta für den FC Rosengård aus Malmö. Seit August 2015 schnürt sie für den VfL Wolfsburg die Fußballschuhe. Ihre Freundin Camille ist zur ihr gezogen und verpasst seitdem kein Heimspiel mehr. Am 21. Mai steht sie im DFB-Pokalfinale in Köln gegen den FC Sand, und wenn sich ihr Team im Halbfinale gegen Frankfurt durchsetzt, am 26. Mai im Champions League Finale im italienischen Reggio Emilia. 2015 gehörte sie bei der Wahl zur Weltfußballerin bereits zu den besten Zehn und wurde in das All-Star-Team der WM in Kanada berufen. Foto: Uta Zorn

Ramona begann bereits mit fünf Jahren, Fußball zu spielen. Mit 16 brach sie ihre Ausbildung ab und zog von der Schweiz nach Schweden, um ihren Traumberuf Profifußballerin zu verwirklichen. Mit 16 debütierte sie in der Schweizer A-National- mannschaft, gewann etliche Titel in Schweden und wurde 2009 und 2015 Schweizer Fußballerin des Jahres. Im August 2015 wechselte die 25-Jährige vom schwedischen Club FC Rosengård zum VfL Wolfsburg nach Deutschland, um weitere, vor allem internationale Titel, zu gewinnen. Fußballexpertin Uta Zorn traf Ramona in Wolfsburg, direkt nach zwei wichtigen Spielen für ihren neuen Club, bei denen sie nicht in der Startelf stand beziehungsweise früh ausgewechselt wurde. Keine leichte Situation für die erfolgsverwöhnte Kickerin. Dennoch erzählte sie offen und gut aufgelegt über ihr Leben mit ihrer Freundin Camille, über ihren lockeren Umgang mit dem Lesbischsein und ihre Hoffnungen für das Schweizer Team bei der anstehenden EM in Frankreich.

L-MAG: Wie schaust du die Männer-Europameisterschaft? Allein, mit Freunden oder mit deiner Freundin Camille auf dem Sofa?

Ramona Bachmann: Ich hab sogar Tickets dafür. Also für das Spiel Schweiz gegen Rumänien, das werde ich mir live angucken. Aber am allerliebsten guck ich eigentlich alleine. Wenn zu viele Leute dabei sind, kann ich mich nicht auf das Spiel konzentrieren, dann reden alle und ich rede mit. Dann bin ich nicht so im Spiel drin, wie ich das gern möchte.

Und was ist mit Camille, schaut sie gerne Fußball?

Ja, sie guckt auch mit. Sie schaut Frauenfußball gerne, ebenso EM, WM, und Champions League guckt sie auch (lacht) – mittlerweile.

… und wenn du über den Rasen läufst?

Mir schaut sie immer zu. Ja, am liebsten sieht sie meine Spiele.

Wie geht es dir in Wolfsburg und mit deinen neuen Kolleginnen?

Sehr gut, ich fühl mich sehr wohl in der Mannschaft, und es ist echt eine klasse Qualität im Team. Die ersten Trainings, da hab ich gleich gemerkt: Wow, ein sehr breiter Kader und sehr gute Qualität. Es macht auf jeden Fall sehr viel Spaß, obwohl es für mich persönlich noch nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Ich bin auch nicht unbedingt der Typ, der viel Geduld hat. Aber ich habe sehr gute Unterstützung im Verein. Unser Trainer hatte wahrscheinlich schon viele solcher Situationen. Eine neue Spielerin zu verpflichten, ist immer ein Prozess, und das dauert einfach.

Auf der Bank sitzen und dann eingewechselt werden ist nicht so deins, oder?

Überhaupt nicht, und das war jetzt gegen Frankfurt auch das erste Mal in meiner Karriere, wo ich in einem wichtigen Spiel auf der Bank saß. Es war keine einfache Situation, die hatte ich noch nie. In meinem letzten Jahr in Umeå hatte ich eine sehr gute Saison, wurde in Schweden zur besten Spielerin gewählt und bin dann nach Malmö gewechselt. Ich hab den Fehler  gemacht, dass ich dachte, das geht jetzt so weiter. Aber ich musste relativ schnell feststellen, dass das so nicht funktioniert. Wenn du in eine neue Mannschaft kommst, hast du nicht gleich den gleichen Status, den du vorher hattest. Du musst dir das erarbeiten, dich anpassen, du musst dir das erspielen. Da hatte ich dann auch eine schwierige Phase und musste viel lernen. Als ich nach Wolfsburg kam, hab ich mir fest vorgenommen, dass ich mich zurücknehme, dass ich mich nicht so wichtig nehme und für das Team arbeiten möchte. Aber das braucht seine Zeit. Ich brauche ungefähr ein Jahr, bis ich mich wirklich wohlfühle und an mein Topniveau anknüpfen kann. Wie gesagt, ich bin nicht die Geduldigste.

Du hast schon früh gesagt, du willst Weltfußballerin werden. Für welches Jahr hast du das geplant?

Früher hätte ich gesagt, so schnell wie möglich. Mittlerweile konzentriere ich mich weniger darauf. Es ist auf jeden Fall mein Ziel, daran hat sich nichts geändert. Aber ich bin auch älter geworden und habe dazugelernt. Fußball ist nun mal ein Mannschaftssport, da gehen einfach die Titel und Erfolge der Mannschaft vor. Das ist etwas, was sich von alleine ergibt, wenn wir die Champions League gewinnen, die Meisterschaft gewinnen, bei der EM gut spielen und weit kommen, also wenn die Mannschaft funktioniert, dann kann auch ich mein Bestes geben.

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Camille (rechts) sieht am liebsten die Spiele ihrer Freundin Ramona Bachmann. Foto: Uta Zorn

In Schweden hast du allein gelebt. Jetzt hat Camille ihr Psychologie-Studium abgeschlossen und ist mit dir nach Wolfsburg gezogen.

Ja, in Malmö war es so, dass Camille noch in der Schweiz gewohnt hat. Mit dem Wechsel nach Deutschland hat sich auch für sie die Situation verändert. Sie kann die Sprache und die Chancen sind jetzt auch höher, dass sie hier einen Job findet und in ihrem Bereich arbeiten kann. In Schweden wäre das schon schwieriger gewesen.

Hast du schon Pläne, was du nach deiner aktiven Karriere machen willst?

Ich würde gern im Fußball bleiben, vielleicht eine Trainerinkarriere machen. Aber ich kann mir auch vorstellen, bei der UEFA oder FIFA zu arbeiten, die haben ja ihren Sitz in der Schweiz, das hat auch mit Fußball zu tun und würde mich sehr interessieren.

Wo wir gerade über die Zukunft reden, möchtest du heiraten?

Ja, würde ich sehr gerne, auf jeden Fall. Das ist schon ein Plan.

Die Hochzeit ist schon geplant?

Nee, nee, das noch nicht. Das ist ein Plan für die Zukunft.

Du hast in der Schweiz, USA, Schweden und in Deutschland gelebt. Gibt es Unterschiede, was das offen lesbische Leben angeht?

Ja, finde ich schon. Wenn ich das mit Deutschland und der Schweiz vergleiche, da ist das schon extrem auffällig, wie offen die Leute in Schweden mit dem Thema umgehen. Da wurde ich gleich gefragt, ob ich eine Freundin oder einen Freund hab. Das hab ich noch nie irgendwo gehört. Die Frage war da völlig normal, das ist einfach anders als hier. In Deutschland oder in der Schweiz kommt die Frage: Hast du einen Freund, Punkt.

Ist dir eigentlich klar, dass du die berühmteste Lesbe der Schweiz bist?

Echt? Ist das so?

Sag mir eine andere, berühmte Schweizer Lesbe?

(überlegt) … ja stimmt, war mir gar nicht klar.

In den Medien war letztes Jahr einiges los, als es aus der Schweiz hieß „Ramona Bachmann zeigt ihre Freundin“. Wie kam es dazu und wie waren die Reaktionen?

Das Ganze wurde ja richtig öffentlich bei der Weltmeisterschaft. Die Schweizer Journalisten haben gesehen, dass Camille auch in Kanada war. Ich verhielt mich, als wäre es das Normalste auf der Welt und küsste sie auch vor dem Hotel. Der Journalist hat das dort das erste Mal richtig wahrgenommen und mich dann darauf angesprochen. Die Reaktionen waren alle nur positiv. Ich habe aber dem Journalisten klargemacht, dass es für mich kein Outing ist. Meine Eltern wussten das schon ewig und auch meine Freunde. Ich hab auch nie ein Geheimnis daraus gemacht. Auf Instagram und Facebook poste ich öffentlich Bilder von Camille und mir. Jeder, der sich dafür interessiert, kann es sehen. Aber ich finde es gut, dass ich das gemacht habe, weil ich denke, dass es viele junge Mädchen gibt, vielleicht auch Jungs, die stehen vielleicht auf eine Frau und trauen sich nicht, es zu sagen. Sie spielen Fußball und dann sehen sie: Okay, Ramona Bachmann, eine der besten Schweizer Fußballerinnen, hat sich geoutet, als wär es das Normalste auf der Welt. Sie steht auf Frauen, ist doch kein Problem. Ich wollte auch erreichen, dass es normal wirkt. Einfach, dass es nichts Spezielles ist, dass man nicht außergewöhnlich ist, nur weil man auf eine Frau steht und nicht auf einen Mann.

Vielleicht regt dein sehr entspannter Umgang damit an, dass sich auch deutsche Fußballerinnen offen lesbisch zeigen. Manchmal macht es den Eindruck, als würde es verheimlicht.

Ich habe mal eine Mannschaftskollegin von mir gefragt: „Ist das bei dir eigentlich öffentlich oder nicht?“ und sie sagte: „Doch, ist öffentlich“. Ich glaube, dass viele gar kein Problem haben damit, aber dass sie nicht eine Pressemitteilung schreiben und sie dann veröffentlichen. Wenn sie jemand fragt, dann sagen sie: „Ja, so ist es“. Aber gerade in Deutschland wäre es gut, wenn sich ein paar mehr, vor allem aktive Spielerinnen, zeigen würden.

Ramona Bachmann
Ramona Bachmann am Ball für den VfL Wolfsburg. Foto: Uta Zorn

Vielleicht wird ja mit Steffi Jones alles besser?

Ja, mal sehen. Es kann gut sein, wie du sagst, dass es gut wäre für die Öffentlichkeit, das mehr als normal zu betrachten, also dass es nichts Außergewöhnliches ist. Aber jede muss für sich selbst entscheiden, inwieweit sie ihr Privatleben mit der Öffentlichkeit teilen möchte.

Noch mal zurück zum Männerfußball. Wer wird denn Europameister?

Es ist so schwierig, ich glaub, um eine Prognose zu geben, muss ich mir erst noch ein paar Freundschaftsspiele ansehen.

Ach, komm …

(lacht) Ich bin natürlich für die Schweiz und ich hoffe, dass die Schweiz gewinnt. Das wär mal was. Aber heiße Gegner sind natürlich immer Spanien, Deutschland, Frankreich. Ich denke, Frankreich hat zwar den Heimvorteil, aber die haben zu hohen Druck, Spanien ist sehr gut, Deutschland ist so eine Turniermannschaft, also wird’s wahrscheinlich Deutschland oder Spanien.

Zuerst veröffentlicht am 29.04.2015 in: L.MAG – Das Magazin für Lesben, Ausgabe Mai/Juni 2016 Seite 28-30.

One thought on “Die Stürmerin

  • 2. Juli 2016 at 12:35
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    Toller Artikel über Ramona Bachmann. Sehr empfehlenswert ! Mehr davon.

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